Wenn Zwänge das Leben einengen
03.08.2004 von Mindbreaker
Wenn Zwänge
das Leben einengen
Eine Szene aus dem Alltag von Frau K.
Gerade ist hinter Frau K. die Haustür ins Schloss gefallen,
als sie voller Panik wieder aufschließt und die Treppen
hinaufstürmt. Ist der Herd auch wirklich abgedreht, der
Stecker des Föns aus der Steckdose gezogen? Sie muss es
einfach nochmals überprüfen, obwohl sie diese Zeremonie
heute schon dreimal hinter sich gebracht hat. Es wird immer schlimmer.
Anfangs genügte es, einmal zu kontrollieren. Jetzt kommt
sie erst zur Ruhe, wenn sie viermal in die Wohnung zurückgekehrt
ist. Sie braucht immer länger, bis sie morgens im Büro
ankommt. Sie weiß, dass ihr Verhalten nicht normal ist,
doch alle Willenskraft scheint nicht ausreichend, den Kreislauf
zu durchbrechen. Zweifel quälen sie, eines Tages wirklich
verrückt zu werden. Deshalb setzt sie alles daran, ihr merkwürdiges
Verhalten vor der Umwelt zu verbergen.
Marotten und etwas ungewöhnliche Eigenheiten
kennen die meisten Menschen in irgendeiner Form. Sie glauben
an Glückszahlen, klopfen auf Holz, brauchen eine bestimmte
Ordnung am Schreibtisch.
Wir sprechen von einer Krankheit, wenn
- die Betroffenen stark unter ihrem Verhalten
leiden,
- sie in ihrem Alltagsleben stark beeinträchtigt
sind,
- sie sehr viel Zeit und Energie durch dieses
Verhalten verlieren,
- sie ihr Verhalten als sinnlos und unbeeinflussbar
ansehen.
Man unterscheidet
zwischen Zwangsvorstellungen,
Zwangsgedanken und Zwangshandlungen
Neben dem Zwang, wie Frau K. etwas kontrollieren
zu müssen, treten Zwangsgedanken sehr häufig auf. Herr
L. bekommt beispielsweise die Idee nicht mehr aus dem Kopf, dass
er seine Frau mit einem Messer umbringen könnte. Er ist
ein friedliebender Mensch und deshalb erschreckt ihn diese Vorstellung
ganz besonders. Um seine Frau nicht in Gefahr zu bringen, schließt
er die Messer nachts ein, geht Messern und Scheren, so gut es
geht, aus dem Weg. Eine andere Variante der Zwangsgedanken sind
Grübelgedanken. So malt sich Frau J. beispielsweise immer
wieder aus, dass sie an Aids erkranken und jämmerlich sterben
wird. Herr W. quält die Phantasie, er könnte mit dem
Auto jemanden überfahren und es nicht bemerken.
Wer bekommt
eine Zwangserkrankung?
Bisher sind die Ursachen für Zwangserkrankungen noch ungeklärt.
Sicher ist, dass die Erfahrungen in der Kindheit eine Rolle spielen.
Wenn ein Mensch als Kind hohe Anforderungen an Leistung, Perfektion
oder Sauberkeit erfüllen muss, aber nur Kritik und Vorwürfe
zu hören bekommt, kann er als Erwachsener sehr verunsichert
sein. Er hält dann das gesamte Leben für gefährlich
und misstraut den Menschen. In einer Krise, z.B. ausgelöst
durch Überforderung, Tod eines nahen Angehörigen oder
Trennung des Partners, neigt er dann dazu, sich gegen alle möglichen
Gefahren absichern zu wollen. Die Ordnung, die er in der Welt
vermisst, versucht er durch Rituale und starre Handlungsabläufe
zu schaffen. Ist der Zwang erst einmal entstanden, bleibt er
von selbst weiter bestehen. Da der Betroffene glaubt, wenn er
sein Ritual aufgeben würde, würde Schlimmes passieren,
behält er es bei.
Welche Hilfsmöglichkeiten
gibt es?
Manchmal genügt die Anleitung zur Selbsthilfe, um den Zustand
zu verbessern. Manchmal, abhängig von der Art, Schwere und
Langwierigkeit der Erkrankung, ist eine Psychotherapie unerlässlich.
Der wirkungsvollste Therapieansatz in der Behandlung der Zwänge
ist die Verhaltenstherapie.
Der Betroffene muss lernen, mit den Situationen, die seine Ängste
und Zwangshandlungen auslösen, wieder normal umzugehen.
Er muss sich unter Anleitung des Therapeuten nach und nach den
Situationen stellen. Das erfordert viel Durchhaltevermögen.
Manchmal wird die Therapie für eine befristete Zeit auch
durch Medikamente unterstützt. In den meisten Fällen
ist eine wirksame Hilfe möglich und der Betroffene kann
seine Zeit wieder mit Handlungen verbringen, die ihm Spaß
machen.
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